Unsere neue Rubrik: Mitglieder unseres Teams rezensieren Bücher, die Themen wie Konsum, wirtschaftliche Strukturen und Klimakrise behandeln. Also solche, die für dich auch interessant sein könnten. Wir laden dich herzlich ein, dir ein Bild zu machen und freuen uns, wenn du bei dieser Gelegenheit ein Buch für dich entdeckst.
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Passend zu unseren Veranstaltungen gibt es hier als Orientierung einige Literatur- und Medienvorschläge für alle, die sich noch weiter informieren möchten:
Sachbücher
Es gibt viele Sachbücher über den Nah-Ost-Konflikt. Einen kurzen, leicht lesbaren und trotzdem multiperspektivischen Überblick über die komplexe Geschichte des Konflikts bietet diese Lektüre:
Jörn Böhme und Christian Sterzing: Kleine Geschichte des Israelisch-Palästinensischen Konflikts. 9. Aufl. Frankfurt/Main 2023.
Romane
Kunst kann dabei helfen, zu verstehen, was der Konflikt konkret für die betroffenen Menschen – Israelis und Palästinenser – bedeutet.
Susan Abulhawa: Während die Welt schlief. München 2011.
Assaf Gavron: Ein schönes Attentat. München 2010.
Assaf Gavron: Auf fremdem Land. München 2013.
Colum McCann: Apeirogon. Hamburg 2020.
Dimitrij Kapitelman: Das Lächeln meines unsichtbaren Vaters. München 2018.
Eshkol Nevo: Vier Häuser und eine Sehnsucht. München 2009.
Dorit Rabinyan: Wir sehen uns am Meer. Köln 2016.
Programmatische Romane
Lizzie Doron: Sweet Occupation. München 2017.
Lizzie Doron: Who the fuck is Kafka. München 2017.
Gedichte
Die Gedichte von Jehuda Amichai und Mahmud Darwisch, sowie von Faten El-Dabbas.
Sonstige Literatur
Hinzuweisen ist ansonsten noch auf die bedeutenden Autor:innen Sumaya Farhat-Naser, David Grossman, Sahar Kalifa, Amos Oz, Raja Shehadeh.
Weitere Informationen
United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs in the occupied Palestinian Territories (UN-OCHA) – und https://www.ochaopt.org/atlas2019/ (letzter Zugriff am 24.03.2023)
B´TSELEM – Eine der ältesten israelischen Menschenrechtsorganisationen (letzter Zugriff am 25.02.2023)
TA’AYUSH - Isr.-pal. Menschenrechtsorganisation, die u.a. „schützende Präsenz“ in der Westbank leistet (letzter Zugriff am 24.03.2023)
PEACE NOW – Eine der ältesten isr. Friedensgruppen, die u.a. genaue Angaben zum Siedlungsbau bereitstellt
BREAKING THE SILENCE – Organisation ehemaliger israelischer Soldaten und Soldatinnen, die sich für ein Ende der Besatzung einsetzen. BtS bietet auf ihrer Webseite Touren in die South Hebron Hills und nach Hebron an (letzter Zugriff am 24.03.2023)
IR AMIM – Organisation, die sich für eine gemeinsame Zukunft von Israelis und Palästinenser:innen in Jerusalem einsetzt. Es werden sehr informative Touren angeboten (letzter Zugriff am 24.03.2023)
COMBATANTS FOR PEACE – Friedensgruppe, in der sich ehemalige pal. Kämpfer und isr. Soldaten zusammengeschlossen haben (letzter Zugriff am 24.03.2023)
Filme
Dokumentation: „Disturbing the peace“. Von Stephen Apkon und Andrew Young. 2016 (https://www.nytimes.com/2016/11/11/movies/disturbing-the-peace-review.html)
Kinofilm: Foxtrott. Antikriegsfilm und Drama von Samuel Maoz. 2017
Kinofilm: Lemon Tree. Von Eran Riklis. 2008
Unser Teammitglied Mareike hat das Buch "Klimabewusst & glücklich" von Christine Eigenbrod gelesen und findet es wie folgt:
"Dieses Buch unterscheidet sich deutlich von den meisten Artikeln (ganze Ratgeber habe ich noch nicht gelesen) zu klimabewusstem Verhalten, in denen einem z.B. empfohlen wird, die Wäsche doch bei gutem Wetter draußen zu trocknen anstatt im Trockner. Ein paar konkrete Hinweise gibt es zwar auch hier, z.B. wiederholt Hinweise darauf, welche Rolle vegane Ernährung im Vergleich zu etlichen anderen Entscheidungen spielt oder dass die Haltung von Kaninchen und Meerschweinchen im Vergleich zu Hunden und Katzen kaum klimarelevant ist. Neu ist an diesem Buch jedoch ein tiefgehendes und wissenschaftsbasiertes Hinterfragen von Gewohnheiten, Denkmustern und alltäglichen individuellen Abläufen in unser aller Leben.
Dabei legt die Autorin vor allem großen Wert auf Praktikabilität, z.B. sei das Waschen mit getrockneten Kastanien oder Efeublättern nicht für jeden Haushalt eine gewinnbringende Vorgehensweise..
Sie erklärt gut verständlich wirtschaftlich erforschte Grundlagen, z.B. den Grenznutzen bei mehrfachen Anschaffungen (also den abnehmenden Nutzen vom zehnten Paar Schuhe im Vergleich zum ersten Paar), zeigt verschiedene Denkmuster bei unseren alltäglichen Einkaufsentscheidungen auf, wie die Alternativblindheit (gerade bei der Berechnung von CO2-Emissionen für einzelne Produkte gestaltet sich ein wahrhaftiger Vergleich häufig schwierig, sodass wir nicht immer die wirklich klimafreundliche Entscheidung treffen), die Aktivitätsbias (nur, weil Produkte nachhaltig sind, muss ich sie nicht kaufen – Nichtkaufen ist das klimafreundlichste Verhalten) und die Zero-risk-Bias (besser, ich verändere mein Verhalten zu einem großen Anteil, z.B. 80%, anstatt gar nicht, weil ich mich davon abschrecken lasse, dass ich 100% nicht schaffen werde).
Dann wird es etwas anstrengend: Anstatt, dass wir mit den neuesten Tipps loslegen und uns nach erfolgter Umsetzung nach 10 Minuten stolz und glücklich fühlen können, geht sie auf die großen Lebensentscheidungen ein:
Manuel Förderer hat wieder fleißig gelesen und das neue Buch von Andy Robinson für Sie rezensiert:
Aderlass.
Andy Robinson neues Buch verfolgt noch einmal die „offenen Adern“ Lateinamerikas.
Als 1971 das Buch „Die offenen Adern Lateinamerikas“ des uruguayischen Journalisten Eduardo Galeano erschien, in dem dieser die wirtschaftlichen Abhängigkeiten Lateinamerikas vom Globalen Norden und dessen teils ungeniertes Ausgreifen auf die wertvollen Rohstoffe des Kontinents schilderte, avancierte es relativ rasch zu einem Klassiker der politisch-historischen Literatur – und zur Standardlektüre weiter Kreise der politischen Linken. Galeanos lebendige Darstellung der lateinamerikanischen Geschichte und der Ausplünderung und Ausbeutung von Land und Leute zunächst im Kontext de europäischen Kolonialismus, sodann vor allem durch amerikanische Firmen mit Unterstützung der offiziellen Politik, hat seinen Reiz weit über sein Veröffentlichungsdatum beibehalten. Die Bedeutung, die dieses Buch nicht zuletzt für Lateinamerika selbst hat, mag man daran ermessen, dass Huga Chavez – damals Staatschef Venezuelas – beim Amerika-Gipfel 2009 ein Exemplar dem leicht verdutzten Barack Obama in die Hand gedrückt hat. Vor laufender Kamera.
» Weiterlesen: Fairlesen: "Gold, Öl und Avocados. Die neuen offenen Adern Lateinamerikas"
Grace Blakeley über den Neoliberalismus als polit-ökonomisches Riesenprojekt
Aktienkurs? Shareholder Value? Finanzialisierung? Kapitalmobilität? Diese Begriffe müssten eigentlich, gemessen an den gesellschaftlichen Realitäten, die sie schaffen, jedem bekannt sein – aber ein Großteil aller Deutschen dürfte wenig bis gar nichts mit ihnen anfangen können. Das liegt nicht nur an dem Sexappeal dieser Termini, der irgendwo zwischen Fußpilz und Briefmarkensammlung angesiedelt ist, sondern vor allem daran, dass er mit der Lebensrealität nahezu aller Menschen – nicht nur Deutschlands, sondern weltweit – nichts zu tun hat. Die allermeisten Deutschen besitzen keine Aktien und dürften sich ergo nur marginal für die noch immer zur besten Sendezeit über die Mattscheibe flimmernden Börsenberichte interessieren. Aber, so könnte man die Pointe von Grace Blakeleys Buch Stolen zusammenfassen, sie sollten dies tun. Denn hinter der Kakophonie finanzökonomischer Begriffsungetüme steckt ein über Jahrzehnte hinweg geradezu perfektioniertes Umverteilungsprogramm. Und damit keine Illusionen entstehen: Gemeint ist natürlich eine Umverteilung von unten nach oben.
Die Klassenfrage ist nicht zurückgekehrt – sie war nie wirklich weg
Wer gerne Horror-Filme schaut (oder einen Hang zu Sigmund Freud hat), der weiß, dass sich nichts auf Dauer verdrängen lässt. Was man unter den Teppich kehrt, hat die unangenehme Eigenschaft wiederzukehren, ohne etwas von seinem anfänglichen Schrecken in der Zwischenzeit verloren zu haben. Die Klassenfrage ist ein solcher Wiedergänger unserer Gesellschaft, der vielleicht nicht mit Schrecken, aber von manchen doch zuweilen mit Verwunderung registriert wird. Klasse, das klingt nach marxistischer Mottenkiste, Begriffe wie Klassenkampf und Klassenzugehörigkeit wirken wie politische Pathosformeln aus dem vorigen Jahrhundert, die sich doch mit dem Gang der Geschichte erledigt haben. Adieu Sowjetunion, Adieu Systemalternative, sei willkommen klassenlose Wohlstandsgesellschaft. Wer so denkt, den kann auch die massive Ausweitung des Niedriglohnsektors innerhalb der vergangenen zwanzig Jahre kaum irritieren – wahrscheinlich, weil es ihn nicht betrifft.
Die vielbesungene „nivellierte Mittelstandsgesellschaft“, die der Soziologe Helmut Schelsky bereits in den frühen 1950ern aufkommen sah, war augenscheinlich der Wunschtraum liberaler und konservativer Ökonomen. Durch typisch deutsche Sekundärtugenden wie Pünktlichkeit und Fleiß habe sich ein breiter Mittelstandsteppich gebildet, der lediglich an den Rändern etwas nach oben und nach unten ausfranzt. Unten finden sich die ungebildeten, ungelernten und zumeist armen Malocher, oben die selbstverständlich durch eigene Anstrengung reich gewordenen Leistungsträger. Für Klasse war in einem solchen Modell verständlicherweise kein Platz. Schon allein deswegen nicht, weil der Begriff Klasse die soziale Herkunft des Einzelnen und die damit verbundenen Erfahrungen von Marginalisierung oder Privilegierung betont. Klasse beharrt darauf, dass sich die gesellschaftlichen Unterschiede und Ungleichheiten in den Leben der Menschen abbilden, in den Familien, in den Bildungs- und Berufsbiographien, nicht zuletzt in Fragen der Gesundheit und Lebenserwartung. Aber all diese Unterschiede sind, so will es die große Erzählung der marktkonformen Demokratie, durch eigene Anstrengungen überwindbar oder selbst verschuldet. Wer nicht richtig arbeitet, faul ist, auf die falsche Ausbildung setzt, die falschen Freunde oder den falschen Nachnamen hat, der findet sich dann eben im unteren Segment der Gesellschaft wieder. Pech gehabt.
Fair for Future – ein gerechter Handel ist möglich Nach über 50 Jahren Fairer Handel eine Geschichte der Bewegung und die Frage nach deren Zukunftsfähigkeit – ein Erfahrungsbericht und ein Anspruch
Gerd Nickoleit, Mitbegründer des Fairhandelshaus GEPA und einer der Protagonisten des „Alternativen Handels“, und seine Tochter Katharina Nickoleit, als Journalistin auch im Globalen Süden aktiv, bieten nicht nur eine Fülle von profundem Insiderwissen zu der Geschichte der Bewegung seit den 70ern. Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und wirtschaftspolitischen Veränderungen entsteht ein plastisches Bild der engagierten Versuche, neue Wege zu einer gerechteren Weltwirtschaft zu finden.
Worum geht es?
Die Ursprünge der Bewegung
In der Aufbruchstimmung der 68er Jahre waren es Jugendliche und junge AktivistInnen, die die Abkehr vom „nachkolonialen Ausbeutungssystem“ forderten. Da sie über die wirtschaftlichen Zusammenhänge aufklären wollten, dienten die ersten Produkte des Alternativen Handels vornehmlich als Symbol – Stichwort „Jute statt Plastik“-Tasche.
Ihre revolutionären Ansichten wurden in der Öffentlichkeit durchaus wahrgenommen, auch wenn sich die Bewegung selbst immer wieder Grabenkämpfe lieferte.
» Weiterlesen: Fair for Future – ein gerechter Handel ist möglich
Andreas Wagner erzählt in seinem Debütroman eine Familiengeschichte in und um den Hambacher Forst
Der Wald spielt im kulturellen Selbstverständnis der Deutschen seit jeher eine besondere Rolle. In ihm bündeln und konzentrieren sich nicht nur eine Vielzahl ökonomischer Interessen, er ist vor allem Ort magisch-mythischer sowie märchenhafter Erzählungen. An ihm entzünden sich seit Jahrhunderten die Phantasien, die den Wald nicht zuletzt zum Rückzugsort all jener gesellschaftlicher Elemente stilisierten, für die zunehmend weniger Platz war oder die die Gesellschaft prinzipiell scheuten und scheuen mussten: von der sprichwörtlichen Hexe über die mal aus guten (Robin Hood), mal aus weniger guten Motiven agierenden Räuber bis hin zu all den imaginären Gestalten und Gespenstern, die die aufgeklärte Moderne aus ihren Reihen ausgeschlossen zu haben glaubte und die zwischen Buchen und Eichen fortexistierten. In diesen Figuren und im Wald als besonderem Raum bewahrten sich die Konturen einer Gegenkultur und exemplarischen Naturnähe, die vor allem die Romantiker beschworen und die aktuell – Trends wie das Waldbaden lassen es erahnen – offenbar wieder an Bedeutung gewinnen. Nicht zuletzt ist der Wald aber auch Teil jener Narrative nationaler Selbstermächtigung, wie sie die deutsche Geschichte bis in 20. Jahrhundert prägten; der Teutoburger Wald ist das klassische Beispiel dafür, wie aus einem Wald der so oft apostrophierte ‚deutsche‘ Wald wurde.
Ulrich Wegst hat ein nicht ganz kantenfreies Buch über die Kulturtechnik des Verzichtens geschrieben
Das Sprichwort weiß es längst: Weniger ist manchmal mehr. Und nach Lektüre von Ulrich Wegst Buch ließe sich ergänzen: Weniger ist der Schlüssel zum Überleben. Und zwar der Menschheit. So in etwa ließe sich die Pointe von Keine Angst vorm Verzicht reformulieren, in dem Wegst das Verzichten zur wichtigsten Kulturtechnik des noch jungen Jahrhunderts erhebt und zu einem Parforceritt durch nahezu alle gesellschaftlichen Felder ansetzt, um Bedeutung und Notwendigkeit des Weniger auszuloten. Die existentielle Dimension dieses Ansatzes ist, so der Autor, dabei nicht von der Hand zu weisen. Die Dringlichkeit des Verzichtens steht mit Blick auf überfischte Meere, überdüngte Böden, dem geradezu rauschhaften Einsatz von Pestiziden und Insektiziden aller Art, dem massenhaften Wegsterben von Flora und Fauna, dem Abholzen der Wälder und dem sich bedrohlich erwärmenden Klima außer Frage. Die planetaren Grenzen sind uns in den vergangenen Jahren mit zunehmender Geschwindigkeit näher gerückt, der Klimawandel ist endgültig in den Zustand des Akuten getreten und wird nur noch von beinharten Kapitalisten und Populisten geleugnet (wenn auch seine Verharmlosung in nahezu allen politischen Lagern festzustellen ist). Das lässt sich nicht zuletzt im Aufkommen neuer politischer Akteure und einer Vielzahl an Veröffentlichungen zu diesem Themenbereich festmachen. Der oft geäußerten Einsicht, dass es so nicht weitergehen könne, steht allerdings der Umstand entgegen, dass sich in der Lebensführung der Mehrheit aller Deutschen (und damit letztlich der Mehrheit aller Bewohner des überindustrialisierten globalen Nordens) nichts geändert hat. Hier gilt auch weiterhin die Prämisse: Je mehr, desto lieber. Verzichten liegt uns nicht und Wegst zählt eine ganze Reihe biologischer, sozialer, ökonomischer wie politischer Gründe auf, warum es uns so schwer fällt, ein einmal erreichtes Konsumniveau wieder aufzugeben.